Sonntag, 14. Dezember 2008

über Helene von Druskowitz

1 Kommentar:

Liz Lunatic hat gesagt…

Helene von Druskowitz : Pessimistische Cardinalsätze
Zum Kapitel 4 : Der Mann als logische und sittliche Unmöglichkeit und als Fluch der Welt

In diesem Text stilisiert Druskowitz die Frau zur menschlichen Norm. Der Mann wird als Zwischending zwischen Tier und Mensch betrachtet, als willkürliche Spielart der Natur und demnach als vollwertiger Mensch disqualifiziert. Ihr feministischer Ansatz beruht auf der Philosophie des differenzialistischen Feminismus, die besagt, dass die Frau von Natur aus anders ist als der Mann. Den Frauen werden Naturgegebene, positive Wesenszüge unterstellt, die alle Frauen unabhängig von Kultur, Rasse oder Geschichte miteinander teilen.
Druskowitz fingiert eine poetisch überhöhte Realität in diesem Text. Die Genealogien von Frau und Mann unterscheiden sich immens. Die beiden Geschlechter stammen aus zwei völlig unterschiedlichen Sphären ab. Die Frau vom Meer und der Mann vom Wald. Somit ist die Frau von Natur aus der höheren Sphäre näher als der Mann. Dieser darf sich gerade noch zur menschlichen Spezies rechnen, während die Frau eigentlich schon ein Wesen höherer Ordnung ist.
Weiters werden negative Charaktereigenschaften dem Mann als Naturgegeben angelastet und die fürchterlichen Konsequenzen, die sich daraus ergeben haben, beschrieben. Aufgrund ihrer Naturgegebnen Inferiorität durch ihre geschlechtliche Ausstattung, neben vielem anderen, versuchen Männer die reineren Wesen zu Mitträgerinnen ihrer gesellschaftlichen Schmach zu machen, indem sie Frauen durch ihre Sexualität versklaven.
Es richtet sich ein Appell in alttestamentarischem Ton an die Männer: Sie sollen endlich die Superiorität der keuscheren, reineren, heiligeren und mit philosophischerem Instinkt ausgestatteten Frauen anerkennen, indem eine Teilung der Städte vollzogen und das Heiraten beschränkt wird, damit der „blöden Volksvermehrung“ Einhalt geboten werden kann. Der Feminismus ist als heiligstes Ideal der modernen Zeit zu würdigen. Durch das Naturrecht folgt die Frau einem höherem Lebensgesetz und einer höheren philosophischen Bestimmung: Frauen sind bestimmt als Führerinnen bzw. als Priesterinnen der neuen Lehre (=Feminismus) in den Tod zu führen.
Die Maximen für Frauen legen nahe, die Übersphäre als substanzielles höchstes Prinzip anzusehen und nicht nach Gott zu streben, denn das vermittelte Bild Gottes ist männlich und die Zeit männlicher Vorbilder ist vorbei. Stattdessen sollten sich die Frauen als Naturwesen von höherer Abstammung imaginieren, um so die nötige Distanz zu schaffen.
Unbedingt sollen Frauen auch gegen die männliche Welt kämpfen und sich ihren Anteil in den Bereichen der Jurisprudenz, Verwaltung und Regierung beschaffen. Ein wichtiges Prinzip ist dabei die Solidarität zu Frauen. Über weibliche Angelegenheit dürfen nur mehr Frauen das oberste Entscheidungsrecht haben.
Eine Lesart dieses Textes ist als Handlungsanweisung zu einer neuen feministischen Wertorientierung hin möglich. Frauen sollen ihre Selbstwahrnehmung ändern, um dadurch auch das Selbstbewusstsein zu entwickeln, konkrete Praktiken der Unterdrückung auszumerzen. Der Text kann also einerseits als Revolutionstext angesehen werden, wobei die zu verfolgenden Ziele auch in der Wirklichkeit durchgeführt werden sollen, wie z.B. die Trennung der Städte nach Geschlechter etc…, oder aber als Poetik des Aufbegehrens gegen die fortwährende Unterdrückung der Frauen. Um einen Zustand der Gleichberechtigung zu schaffen, ist es notwendig, dass sie erst über das Ziel hinausschießen, indem sie sich als das wertvollere, intelligentere Geschlecht imaginieren und sich gedanklich und auch praktisch über die Männer stellen, um das eigentliche Ziel –Gleichberechtigung- zu erreichen.
Insofern kann ich ihr Denken rational auf alle Fälle nachvollziehen und unterstütze es.
Viele der Problematiken sind auch heute noch aktuell. Die Gleichberechtigung von Frauen ist noch (lange) nicht vollzogen! Besonders hilfreich erscheint mir der Appell zu Frauensolidarität. Frauen werden dazu erzogen, das eigene Geschlecht herabzuwürdigen, um in einer Männergesellschaft anerkannt zu werden. Um die anerkanntesten, bestbezahltesten (d.h. noch immer unter der gläsernen Decke) Jobs zu bekommen wenden sich viele Frauen gegen ihr eigenes Geschlecht. Viele Sätze von Frauen beginnen mit: „ Ich bin ja keine Feministin, aber..“ ,um nur ja nicht den Eindruck zu erwecken, es handle sich um eine für Männer gefährliche Frau, die den selben Machtanspruch stellt. Insofern gibt eine innerlich kämpferische Haltung sicherlich den notwendigen Rückhalt und noch mehr Rückhalt können sich Frauen untereinander geben, indem sie ihre (Miß)erfolgsgeschichten oder Erlebnisse aus dem Alltag miteinander vergleichen, um so ihr Bewusstsein für die allumgebenden Unterdrückungsmechhanismen unserer patriarchalischen Kultur zu schärfen. Es ist wichtig, dass Frauen auf eine eigene, frauenzentrierte Geschichte referieren können, wichtig, dass sie weibliche Vorbilder haben und wichtig, dass sie nicht zu männlichen (Sprach)handlungsstrategien greifen, denn dadurch würden sie sich eher den Männern unterordnen als aufbegehren. Denn dieselben Handlungen von Frauen getan, haben noch lange nicht denselben Effekt wie die von Männern gemachten, da eine Ratifizierung solcher Handlungen notwendig ist, und dazu können Frauen sich nicht selbst legitimieren, sondern nur die herrschende Kaste.
Ein sehr guter Ansatz ist auch die Kritik an dem Primat der männlichen Sexualpraktik. Denn auch in der Sexualität des Individuums spiegelt sich die kollektive Unterdrückung der Frauen in der Gesellschaft. Der vaginale Orgasmus wurde als Wunschphantasie der Männer schon lange entlarvt und doch glauben die Männer, dass phallozentrierte Sexualität für Frauen die größte Erfüllung darstellt und dass sie diese Erfüllung schenken können. Die Welt würde ein bisschen anders aussehen, wenn das männliche Selbstbewusstsein durch das Wissen geschwächt würde, dass Frauen Männer nicht zu ihrer Lustempfindung brauchen, einzig zur Fortpflanzung. Und hier stehen wir vor einem anderen großen Problem, nämlich vor dem des allmächtigen biologischen Diskurses. Der biologische Diskurs will Frauen an ihre Geschlechtlichkeit binden und erzeugt so unbezahlte Arbeitskräfte, die den Haushalt machen und die Kinder versorgen, was natürlich äußerst praktisch für die Wirtschaft ist. Indem behauptet wird, dass Frauen eine natürlichere Bindung als der Vater zu ihren Kindern haben, wird es als ganz selbstverständlich hingenommen, dass Frauen noch immer diejenigen sind, die nach der Geburt zuhause bleiben und später nur eine Teilzeitarbeit ausüben. Die finanziellen Nachteile, die ein solches Arrangement mit sich bringt, müssen nicht extra diskutiert werden. Die Verbindung, die der biologische Diskurs ausgehend von der „natürlichen Weiblichkeit und Mütterlichkeit“ hin zur Haus(frauen)arbeit zieht, ist abstoßend und frech, aber dennoch wirksam.
Unter solchen Umständen ist die Haltung von Helene von Druskowitz mehr als einleuchtend, wenn sie an Frauen appelliert, keine Kinder zu bekommen und nicht zu heiraten. Unter Einbeziehung ihres geschichtlichen Hintergrunds kann ich ihre radikalen Einstellungen sehr gut nachvollziehen.